In memoriam Gerd H. Hortsch (1956 - 1993)

Foto: Lutz Fiebig 1986

Wir trafen uns 1985 in München wieder, der Stadt, in welcher ich seit Januar des Jahres lebte und in der Gerd mit seinen Freunden Thea, Matthias und Micha eine ebenso neue Heimat finden sollte. Hinter uns allen lag eine sehr harte Zeit jenseits der innerdeutschen Grenze, die jeden von uns auf seine Weise nachhaltig geprägt hatte. Wir alle steckten voller Zuversicht und Lebenshunger, wollten unsere Träume im freien Teil der Welt leben und die unzähligen Visionen in unseren Köpfen Realität werden lassen. Gerd schrieb sich unverzüglich an der Münchener Kunstakademie ein, wollte seinen in Dresden begonnenen Weg der Ausbildung zum Kunstmaler und Graphiker konsequent fortsetzen. Sein Lehrer wurde der von ihm hochgeschätzte Prof. Rudi Tröger. Er nahm sein Atelier in der oberen Etage der Akademie und teilte es mit Ursula Henselmann, einer jungen Frau, die aus einer traditionsreichen Münchener Künstlerfamilie stammte und in ihrer ruhigen, besonnenen Art von der Fremden zu einer geschätzten Kollegin für ihn wurde. Nahezu täglich verabredeten wir uns und ich besuchte Gerd in seinem Atelier. Mit großer Freude und Neugier auf meine Reaktionen zeigte er mir seine neuen Bilder und ließ mich in leidenschaftlich geführten Gesprächen teilhaben an seinen Gefühlen, Plänen und Visionen. Nach einer ersten gemeinsamen Reise, die uns nach Freiburg im Breisgau und das Elsaß führte, folgten immer wieder Ausflüge, Ausstellungsbesuche und Reisen in die Kunstmetropolen Wien und Florenz. Wir fuhren nach Salzburg und Südfrankreich, besuchten die Ausstellungen in den reichen Münchener Museen und Galerien. Immer wieder folgten wir unserer Sehnsucht nach der Ferne, dem Fremden, dem Licht, unsere Köpfe beständig mit Bildern und Eindrücken füllend. Mir begegnete in all diesen Momenten mit Gerd ein ganz besonders feinfühliger Mensch, der wie ein Seismograph im Stande war, auch feinste Schwingungen aufzunehmen, um diese ebenso gefühlvoll wieder malerisch ins Bild zu setzen. Seine Wurzeln lagen in der Farbigkeit und Gestik des deutschen Expressionismus, den er von früh auf mitbekommen hatte und die Basis seiner künstlerischen Sicht war. Ein starkes Rüstzeug ist ihm auch, wie er mir immer wieder gern schilderte, die Lehre in den künstlerischen Grundlagen an der Dresdner Akademie bei Gerhard Kettner und Gottfried Bammes gewesen. Sein Credo war es stets, dass jemand nur dann wirklich frei und schöpferisch gestalten könne, wenn er sein Handwerk von der Pike auf beherrscht Dies durfte er für sich ohne Abstriche in Anspruch nehmen.

Gerd verstand es mit seiner sympathisch-kontaktfreudigen Art immerzu und immer wieder, Menschen für die Kunst und insbesondere seine Bilder zu gewinnen. Seine Ausstellungen, zunächst in Privatwohnungen, Praxen und im kleineren öffentlichen Rahmen waren stets gut besucht und wurden von großer Anerkennung des Publikums begleitet. Fast nebenbei folgte sein Diplom an der Münchner Akademie und seine Bemühungen, einen Grundkurs „Künstlerische Anatomie“ an der Akademie zu etablieren, trugen erste Früchte, da bekam er die tragische Diagnose seiner schweren Krankheit. Wir alle, seine Freunde und Wegbegleiter, haben mit ihm gelitten und gekämpft, haben ihn ge- und unterstützt, haben gelacht und Pläne geschmiedet, haben uns beständig an seinen Bildern und Gedanken erfreut. Kurz nach der Eröffnung seiner letzten Ausstellung im „Goethe-Institut“ in München Anfang 1993 hat er den Kampf gegen den ungleichen Gegner verloren. Es war der Verlust eines lieben Freundes und ganz besonderen Menschen, dem, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gehabt hätte, hier zur Erinnerung eine Präsentation seine Schaffens eingerichtet werden soll.

Lutz Fiebig, März 2016